Texte und Impulse

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Weitere Impulse für den eigenen spirituellen Weg


Gedichte

Sommertag

Hier ist meine Liebe, meine zärtliche Liebe für den heutigen Tag mit seiner ungestümen Sonne und ihrem maßlosen Licht.

Hier ist meine Liebe, meine zärtliche Liebe für diesen reinen Augenblick. Der Tag sucht seine Vollendung.

Marianne Šedivý


Die Rose

Kann die Rose entscheiden, ob sie blühen soll? Dasein und warten, ganz verliebt in das Licht. Sie weiß genau, wann sie blühen muss und verschenkt sich im Auftun voll Leidenschaft. Sie feiert den Rausch ihrer Blüten. Das Geheimnis der Rose: Sie blüht, weil sie blüht!

Marianne Šedivý


Barfuß

Ich weiß nicht viel, ich kenne wenig, wie ein Fuß ohne Schuh. Wo ich barfuß gegangen und barfuß gestanden, hab ich gefühlt, hab ich erspürt, was mir beschuht verborgen bliebe. Viel weiß ich nicht, doch was ich weiß, kenn ich hautnah auf meine Weise.

Marianne Šedivý



Raum für den Schatten.

Es war einmal ein Mann, der vom Anblick seines Schattens so verstört war, dass er beschloss, ihn hinter sich zu lassen. Er sagte sich: Ich laufe ihm einfach davon. So stand er auf und lief davon. Doch sein Schatten folgte ihm mühelos. Er sagte zu sich: Ich muss schneller laufen. Also lief er schneller – lief so lange, bis er tot zu Boden sank. Wäre er einfach in den Schatten eines Baumes getreten, so wäre er seinen eigenen Schatten losgeworden, und hätte er sich hingesetzt, so hätte es keine Schritte mehr gegeben. Aber darauf kam er nicht.

Geschwindigkeit hat etwas, fasziniert. Dinge schnell erreichen, eine Arbeit schnell erledigen, Nachrichten schnell verschicken, Arbeitszeit verdichten, um in kürzerer Zeit mehr zu schaffen oder in der freien Zeit mehr erleben zu können – wer sich beeilt, bekommt viel geschafft.

In der Geschichte vom Schattenläufer soll Schnelligkeit helfen, etwas loszuwerden, nämlich den eigenen Schatten. Was ist Schatten? Schatten ist nicht der Mensch selbst, sondern etwas, das ihn begleitet und das er gerne loswerden möchte. Stress, Wut, Angst, Maßlosigkeit im Essen, vielleicht eine Sucht, eine Sorge, das Gefühl, etwas zu verpassen, die Tatsache des Älterwerdens, eine schmerzhafte Erinnerung – was auch immer es ist: Es gibt viele Schatten, die einen Menschen durchs Leben treiben können. Sie machen rastlos, ruhelos, manchmal mutlos oder krank.

Das Ego hat Angst vor dem Schatten, will ihn verdrängen. Der Verstand, die Gedanken sagen: „Du musst schneller laufen.“ Übersetzt in den Alltag: „Du musst noch da hin und dort hin.“ „Das fehlt dir noch.“ Oder: „Fahr doch mal weit weg.“ „Kauf dir was Schönes.“ Der Verstand sucht Beschäftigung, er „hätte, wüsste und wollte gerne etwas“, wie Tauler sagt. Er arbeitet überzeugend und logisch: Du musst nur schneller rennen, schneller arbeiten, mehr leisten, mehr lesen oder mehr erleben, dann erreichst du mehr, findest du mehr, erlebst du mehr an Freude und Erfüllung oder was auch immer er verspricht. Es klingt meistens alles sehr logisch und funktioniert ja auch eine Zeit lang ganz gut.

Es gibt einen Schatten, in den sich ein Mensch mit allem, was ihn umtreibt, immer stellen kann, um nicht auszubrennen oder irgendwann erschöpft umzufallen – die Stille. Der Stille Raum geben heißt auch, dem Schatten einen Raum geben, sich zu zeigen, ihm nicht davon rennen, ihn aushalten – in der Stille. Sie ist da, hinter unseren Gedanken, und ihre Kraft ist immens. Sie ordnet unser Leben, ist Zufluchts- und Ausgangspunkt zugleich, drängt sich nicht auf, will gesucht werden, lässt sich finden, schenkt ihre Gaben.

Stefan Eideloth



Wie Zenkurse ablaufen

Ein Zen-Kurs wird durch Zeiten des Sitzens in Stille – Zazen – strukturiert und in durchgängigem Schweigen gehalten. Begonnen wird der Tag mit Qigong- Übungen. Tagsüber soll alles Zerstreuende und Ablenkende – sich unterhalten, Smartphone und Notebook benutzen, Fernsehen und Zeitung lesen – unterlassen werden. Wir bemühen uns primär darum, beim Sitzen genauso wie in den freien Zeiten, bei allem, was wir jeweils tun, voll und ganz bei der Sache zu sein. Wir sind unvoreingenommen offen für das, was sich innen wie außen gerade zeigt. Dadurch kommt das ständige innere Beschäftigtsein und Bewerten zur Ruhe und Körper und Geist können sich regenerieren. Das Sitzen in Stille und das Präsentsein für den gegenwärtigen Augenblick lassen uns aufwachen aus Gewohnheit und Routine. Wir kommen dahin, vieles wie neu zu sehen und zu erleben; das Leben bekommt wieder Farbe. Man rennt nicht mehr wie blind durch die Gegend. Durch das geduldige und ernsthafte Innehalten klärt sich auch unsere religiöse Intention und wir finden sicherer unseren Platz in der Welt. Die Rituale sollen uns an das Hier und Jetzt erinnern und darin verankern. Das gemeinsame Rezitieren der Zen-Texte bringt uns mit der Essenz des Zen in Fühlung, sodass wir immer besser ‚verstehen‘, in welche Tiefen der Zen-Weg letztendlich führt.

Heinrich Allerstorfer



Eine unbequemer Kraft

Die Bibel erzählt, dass am 50. Tag nach der Auferstehung den Jüngern Jesu der Heilige Geist erschienen ist. Der eigentliche Festtag ist demnach der Pfingstmontag. Die griechische Sprache verwendet für den Geist dasselbe Wort wie für den Atem – „pneuma“ . Ähnlich sieht es die jüdische Tradition. Das hebräische Wort „ruach“ steht für Atem, Wind, Geist und ist weiblich. Deshalb wird der Heilige Geist auch die weibliche Seite Gottes genannt. Er ist der göttliche Urgrund, in dem jedes Leben seinen Ursprung hat. Er ist nicht zu fassen und zu erkennen ist er nur an seiner Wirkung. Seine Eigenschaften sind die des Atems, der strömenden Luft, des Windes. Er durchdringt, belebt, erneuert, erfrischt und er kann auch als heftiger Sturm alles aufwirbeln, in Bewegung setzen und einen Neuanfang erzwingen.

„Komm, Heiliger Geist“, so rufen die Gebete der Pfingstzeit. Viele verbinden damit vor allem die heilende Kraft des Geistes: seine Weisheit, Klugheit, Kraft und andere wichtige Eigenschaften. Doch wo der Geist als der göttliche Sturm einkehrt, dort entpuppt er sich als ein in hohem Maß unbequemer Gast. Der gleiche Geist, der Frieden schafft, ist auch eine unheimliche Störung. Er greift jede Selbstzufriedenheit, Selbstgerechtigkeit und die Bequemlichkeit der Menschen an. Er hat keinen Respekt vor verfestigten Ordnungen, eingefahrenen Strukturen, vor zum Selbstzweck gewordenen Institutionen und anderen Heiligtümern des menschlichen Egos.

Sturmwind und Feuer, in denen sich laut Bibel das göttliche Wirken ausdrückt, sind die unheimlichsten unter den Elementen. Sie lassen nichts, was sie ergreifen, wie es war. Wer die Kraft des Geistes herbeisehnt, soll wissen, dass dieser Geist um der Wahrheit willen den Menschen massiv stören kann. Wer nach dem Beistand des Heiligen Geistes ruft, sagt damit auch: Ändere, was geändert werden muss. Bring neuen Wind und störe mich, wo ich gestört werden muss. Reiß ab, was abgerissen werden muss.

Wie der Sturm abgestorbene Zweige und Äste von den Bäumen reißt und den Baum reinigt, so greift dieser Geist in unser Leben ein. Wir müssen damit rechnen, dass er auch in uns einen neuen Anfang schafft – und dies wird anders geschehen als wir meinen.

So gesehen kann die gegenwärtige Pandemie auch ein Werkzeug sein, um jeden von uns und die Menschheit als Ganze dazu zu bewegen, eine tiefgreifende Erneuerung zu wagen.

Jan Sedivy



Tod und Auferstehung ist unser Alltag

Die Auferstehung hat nur am Rande zu tun mit Ritualen, und wären diese noch so schön und feierlich. Es kann tröstlich und für viele sehr wertvoll sein, uralten Texten und Gesängen zu lauschen, mitzusingen und zu feiern, dass wir im Leid nie wirklich allein und verlassen sind. Das Leben erweist sich am Ende stärker als der Tod und wird letztlich über jedes Leid siegen. Rituale, die dies feiern, sind dort von Leben erfüllt, wo sie entweder die Folge der entsprechenden Erfahrung sind, dass Leid nicht sinnlos sein muss und zum Erwachen eines größeren Lebens führen kann oder auf die Erfahrung hinweisen und zu ihr hinführen.

In diesem Zusammenhang kommen mir die Worte des Angelus Silesius in den Sinn: „Wird Christus tausendmal zu Bethlehem gebor´n und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verlor´n.“ Analog zu diesem weihnachtlichen Gedanken können wir sagen: Wäre Christus tausendmal vom Tode auferstanden und nicht auch in dir, bliebest du ewig tot. Ostern ist nichts für Zuschauer, die sich unterhalten lassen wollen wie in einem Theater. Es ist auch nichts für Liebhaber frommer Rituale, die nicht bereit sind, sich in der eigenen Tiefe berühren zu lassen. Ostern ist ein Geschehen, in das wir mit unserem Leben voll und ganz eingebunden sind – oder es ist kein Ostern. Wo das Geschehen der Karwoche zusammen mit dem Osterfest das spiegelt, was Menschen in ihrem Alltag zu leben versuchen, dort ist es nicht entscheidend, ob die Kirchen voll oder leer sind, ob die Liturgien feierlich sind oder schlicht. Denn Ostern ist vor allem ein Geschehen in unseren Herzen, in unserem Leben. So kann die diesjährige Unmöglichkeit feierliche Zeremonien durchzuführen für uns ein Anlass sein, uns darauf zu besinnen, worauf es wirklich ankommt.

Tod und neues Leben sind Grunderfahrungen eines jeden von uns. Den Leidensweg Jesu, dessen wir in der Karwoche gedenken und seine Auferstehung, die wir zu Ostern feiern, spiegeln sich auf die jeweils eigene, ganz persönliche Weise in unserem eigenen Schicksal. Sterben und Auferstehen ist nicht nur etwas, was einmal geschieht, sondern findet in unserem Alltag immer wieder statt. Hier im täglichen Auf und Ab zeigt sich, inwiefern wir fähig sind loszulassen und wie erneuerungsfähig wir sind; es zeigt sich, wie stark das Leben in uns wirklich ist. Sterben und Auferstehen sind eine Grundbewegung des Lebens, ähnlich wie das Ein- und Ausatmen. Beides begleitet uns ein Leben lang und ermöglicht das innere Wachstum. Jedes kleine und größere Loslassen, jedes Lösen von Anhaftungen, jedes Zurücktreten vom eigenen „ich will“, „ich will nicht“, „ich will es anders haben,“ ist wie ein Sterben im Kleinen und wird auch so erlebt. Die kleinen Schritte des Loslassens sind ein Schatten jenes großen Loslassens an unserem Lebensende und zutiefst mit ihm verbunden. Die Auferstehung, das neue Leben, das daraus erwächst, wird von jenem göttlichen Urgrund bewirkt, der uns ins Leben gerufen hat und der als das eine Leben in jedem von uns seine Ausfaltung sucht.

Jan Šedivý



Auferstehung

Auferstehung – der magnetische Punkt, der gottdurchlässig ist. Gebete machen Umwege. Wir leben in der Auferstehung und sind blind, so blind …

Marianne Šedivý



Ostern

Seine Liebe mündet ins Martyrium, um auszuleiden den Ostermorgen, der ans Licht will.

Marianne Šedivý



Das Leben stärken

Sich und andere zu schützen ist wichtig und oft lebensnotwendig. Doch Schutz ist noch nicht alles. Es ist auch wichtig, das Leben zu stärken. Sowohl das eigene, als auch das Leben um uns herum lässt sich auf vielfältige Weise stärken. Meditierende wissen, dass sie deshalb nicht unbedingt ihre vier Wände verlassen müssen. Das eigene Leben stärken wir durch achtsamen Umgang mit allem, was unser Leben ausmacht. Vor allem achten wir auf die richtige Atmung auf die richtige Bewegung auf die richtige Ernährung auf den richtigen Umgang mit Gedanken und Emotionen

Was ist nun die „richtige“ Atmung, Bewegung, Ernährung, was ist der richtige Umgang mit Gedanken und Emotionen? In diesen Tagen bekommen wir aus verschiedenen Quellen Ratschläge und Tipps, um das eigene Immunsystem zu stärken und um gesund zu bleiben. Je nach Bildung, je nach persönlichen Überzeugungen und der eigenen Lebensgeschichte kommen Menschen zu unterschiedlichen Ergebnissen und treffen Entscheidungen. Doch letztlich ist es nicht eine Sache der Entscheidung, sondern der vorangehenden Bewusstheit, was sie jeweils als das für sich Richtige erkennen, welche Haltung sie bezüglich richtiger Atmung, Bewegung, Ernährung und Umgang mit Gedanken und Emotionen einnehmen.

Der persönliche Standpunkt ergibt sich daraus, wo wir gerade stehen und was wir gerade sehen. Er ist ein Teil des eigenen Unterwegs-Seins. Unsere persönliche Wahrnehmung von der Welt ist immer auch abhängig von all unserem Wollen und von unseren Vorstellungen, die wir bewusst oder unbewusst mit uns mittragen. Daher ist es sehr wichtig, bewusst zu leben und den eigenen Standpunkt loslassen zu können. Argumente wirken erst, wenn Menschen bereit sind, sie zuzulassen, um der Wahrheit zu begegnen. Dies setzt die Bereitschaft voraus, die eigene bisherige Sichtweise zu ändern – und das ist eben eine Sache von Bewusstheit.

Spirituelle Menschen sind Wahrheitssuchende. Sie suchen die Wahrheit nicht, um sie zu finden, zu besitzen, um sie vor sich herzutragen und sie womöglich gar als Waffe gegen andere einzusetzen. Sie suchen die Wahrheit, um aus ihr heraus zu leben. Die gelebte Wahrheit wird für sie zu einer Kraftquelle sowohl für ihr eigenes Leben als auch für das Leben um sie herum. Wie jedes Unterwegssein besteht auch die Wahrheitssuche aus vielen kleinen Schritten, und jeder Schritt bedeutet ein Lassen und Werden. Wir heben den Fuß, lassen los, setzen ihn neu auf und machen den nächsten Schritt. Und dann wieder und immer wieder. Somit sind die Suche und das Leben nach der erkannten Wahrheit auch ein Pilgerweg. Er wird realisiert, indem wir ihn gehen: Schritt für Schritt. Jeder Schritt ist ein Finden und ein Angekommen-Sein. Und jeder Schritt bedeutet auch ein Loslassen, ein sich neu Ausrichten und einen Neuanfang.

Viele Menschen weltweit sind in diesen Tagen verunsichert, verängstigt, fühlen sich bedroht, viele leiden seelisch und körperlich. Diesem Leid ist entschieden entgegenzutreten und es ist nach Möglichkeiten zu lindern. Doch sei darüber hinaus die Frage erlaubt: Was geschieht, wenn wir versuchen, das Geschehen dieser Tage aus einem anderen Blickwinkel zu sehen? Wer aktuell etwas sehr Schweres erlebt, braucht Zeit, bevor es ihm möglich sein wird, mit anderen Augen zu sehen. Doch viele können es zumindest versuchen: Könnte sich hinter all den schlimmen Nachrichten, die uns täglich erreichen, nicht auch eine Chance verbergen? Was geschieht, wenn wir versuchen, diese Zeit als eine Zeit der Gnade zu erkennen? Vielleicht erkennen wir, dass etwas Neues im Werden ist. Die Not-Situation verliert etwas von ihrer Enge und schafft Raum für Hoffnung und Zuversicht.

Jan Šedivý